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„Es geht um die Existenz“

Judith Wohlfarth, Inhaberin des Hofguts Silva, fürchtet, dass der Bau der Windräder den Verlauf ihrer Quelle ändern könnte.

Fotos: Nicole Rendler

Oberkirch. Idyllisch liegt der dunkelgrüne Wald rund um Hesselbach. Nur das Rauschen der Bäume ist zu hören und ein paar Schritte. Gegangen werden sie bei einem Kontrollgang zur Wasserversorgung von Judith Wohlfarth. Sie ist Eigentümerin des für seine Schweinezucht bekannten Hofguts Silva und auf dem Weg zur Quelle des Hofes. Diese liegt auf dem Gebiet der dortigen Waldgenossenschaft und versorgt Wohnhaus und Landwirtschaft komplett mit Wasser. Das Brunnenrecht dafür sei im Grundbuch eingetragen. Selbst in den dürrsten Sommern trocknet diese Quelle nicht aus. „Ich musste nicht einmal Wasser fahren“, freut sich die Landwirtin über die in Zeiten des Klimawandels so wertvolle Wasserquelle.

Doch diese ist in Gefahr, fürchtet Judith Wohlfarth. Einige Meter oberhalb der wohl Anfang des vergangenen Jahrhunderts gefassten Quelle planen die Stadtwerke Oberkirch und die Ökostromgruppe Freiburg den Bau dreier Windräder (wir berichteten mehrfach). Die Fundamente hierfür sollen rund drei Meter tief im felsigen Untergrund verankert werden. Judith Wohlfarth hat nun Bedenken, dass die Erschütterungen der Bauarbeiten massive Auswirkungen auf den Weg der Quelle haben. Denn diese verlaufe durch sogenanntes Porphyrgestein. Und diese Vorstufe des Sandsteins ist alles andere als steinhart.

Abhängig vom Wasser

Laut Auskunft eines befragten Geologen könne es so durchaus sein, dass sich das Gestein durch die Bauarbeiten und später die Vibrationen durch die Rotorblätter verschiebe und sich das Wasser einen anderen Weg suche, weg vom weiter unten liegenden Überlaufbecken. „Ich kann mir meine Wasserversorgung aber nicht aussuchen“, sagt die junge Unternehmerin, die nicht an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen ist.

Hinzu komme die Gefahr der Wasserverschmutzung durch eventuell auslaufende Betriebsstoffe wie Getriebeöl. Nach den aktuellen Planungen hätte eines der Rotorenblätter einen kleinen Teil der Schweineweiden überquert. Den hierfür notwendigen Pachtvertrag wollte Judith Wohlfarth nicht unterzeichnen, weiß aber auch, dass diese Entscheidung keinen Einfluss auf das Gesamtprojekt haben wird. Da ihre Möglichkeiten, bei dieser Art des vereinfachten Verfahrens überhaupt Einfluss zu nehmen, gering sind, hat die Hofeigentümerin einen Anwalt eingeschaltet. Der beantragte auch Akteneinsicht bei der zuständigen Emissionsschutzbehörde des Landratsamtes des Ortenaukreises. Heute möchte Judith Wohlfarth ihre Bedenken in der Sitzung des Oberkircher Gemeinderates vortragen.

Große Bedenken angesichts des Baus der insgesamt 261 Meter hohen Windräder gibt es ebenso in Bottenau. „Wir haben davon aber sehr spät erfahren“, bedauert Martin Brandstetter, der mit seiner Tochter Jenny Haas das Gasthaus Hummelswälder Hof betreibt. Sie sind mit ihrem Grundstück keine direkten Anlieger, aber dennoch betroffen. So beantragten sie Akteneinsicht beim Landratsamt Ortenaukreis, die ihnen gewährt wurde. Viele Punkte darin sehen sie kritisch. So gibt es etwa ein Gutachten zur Beschattung durch Masten und Rotorblätter. Demnach werde an 18 Orten der Grenzwert der zulässigen Beschattungsdauer von 30 Minuten überschritten. Für den Hof werden 52 Minuten pro Tag ausgewiesen, also 22 Minuten über dem Grenzwert.

Das Gutachten nennt aber auch Objekte, die teils eine Stunde mehr Schatten pro Tag als der ausgewiesene Grenzwert haben. Als sehr bedenklich empfinden die Wirtsleute ebenso die Schallimmissionsprognose.

Laut Unterlagen werde bei diesen Windrädern eines ganz neuen Typs allein von Herstellerangaben ausgegangen. Wie weit diese in der Praxis anwendbar sind, sei völlig offen. Auch inwieweit dies den Gastbetrieb einschränke, sei nicht vorhersehbar.

Geklärt ist sicher ein Punkt. Die Familie verweigerte die ursprünglich geplante Zuwegung zum Windpark, die zweimal über ihr Grundstück und am Gasthof vorbei verlaufen sollte. Die Zufahrt wäre für viele Hundert Lastwagenfahrten mit teils großen Bauteilen zu schmal gewesen und hätte verändert werden müssen.

„Völlig verrückt“

„Aber ich lasse nichts verändern und dann können sie diese Route nicht nehmen. Hier geht es um unsere Existenz. Wenn über ein Jahr hier die Lastwagen durchrollen, bleiben die Gäste weg“, nennt Martin Brandstetter seinen Standpunkt, der auch den Initiatoren bekannt ist, die nun eine neue Zufahrt planen. Jenny Haas, die mit ihrem Vater schon mehrere Anlagen in der Region besichtigte, ist der Meinung, dass vor allem deren Höhe total unterschätzt werde. Dass diese genehmigt werden dürfen, ohne dass die nicht unerhebliche Frage der Zufahrt geklärt sei, sei „völlig verrückt“.

Wie Judith Wohlfarth sorgen sich auch Haas und Brandstetter um ihre Wasserversorgung. Auch der Hummelswälder Hof versorge sich sowie einen Nachbarn komplett mit Wasser aus einer Quelle. Wo diese verlaufe, könne aber niemand genau bestimmen. Martin Brandstetter betreibt eine Photovoltaikanlage und seine Tochter Jenny fährt ein Hybridauto und beide sehen sich nicht als Gegner der erneuerbaren Energie. Überzeugt sind sie von den Windrädern im Renchtal dennoch nicht.

Sie fänden es sinnvoller, Anlagen wie im Norden voll zu nutzen, etwa durch einen Ausbau des Stromnetzes. Möglichkeiten gegen den Bau der drei Windkraftanlagen gebe es wegen des vereinfachten Bauverfahrens kaum, allerdings möchte Martin Brandstetter nun auch andere interessierte Bürger umfassend über die Belange informieren.

Mehr Infos zum Verfahren unter: w www. lubw.baden-wuerttemberg. de/erneuerbare- energien/ genehmigungsverfahren

Jenny Haas und Martin Brandstetter informieren sich ganz genau, welche Auswirkungen der Betrieb von drei großen Windrädern auf ihre Gaststätte haben könnte.

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